Keine andere Frage wurde uns während unseres Reise-Jahres so oft gestellt: „Südamerika? Wie sieht es denn dort mit der Sicherheit aus?“. Oft bekommen wir umgehend eine Reihe von Horror-Geschichten aufgetischt, bevor wir überhaupt antworten können. So manches Mal haben wir den Eindruck, das Fragesteller einfach nur ihre Meinung bestätigt bzw. gerne noch weitere schlimme Geschichten hören würden.
Doch wie „sicher“ ist Südamerika für westeuropäische Rucksacktouristen denn nun wirklich? Hier der Versuch einer Antwort – auf eine ziemlich pauschale Frage.
„Sicherheit XY ungelöst“
Schlecht beleuchtete, kaum belebte Straßen in heruntergekommenen Gegenden, finster blickende Einheimische – hier fühlen sich die wenigsten Touristen sicher.
Wie sieht es jedoch mit der belebten U-Bahn in Buenos Aires oder der gepflegten Altstadt in Montevideo aus? Unsicher fühlt man sich hier eigentlich erst dann, wenn man z.B. durch Mundpropaganda hört, dass Überfälle oder Trickdiebstähle hier an der Tagesordnung sind. Man verhält sich ab sofort anders: umklammert den Rucksack bzw. überlegt an jeder Ecke ob man sich noch weiter in das schlecht beleumundete Viertel vorwagt.
Auswärtiges Amt & Reiseführer führen pflichtbewusst sämtliche(!) mögliche Gefahren auf. Diese sind zumeist unsichtbar bzw. lauern erst an der nächsten Ecke. Die tatsächliche „Sicherheitslage“ ist für den Einzelnen nicht überschaubar – jedem bleibt also nur die eigene Vorstellung bzw. das Gefühl von Un- oder Sicherheit. Und dieses Gefühl ist leicht beeinflussbar (siehe Horror-geschichten). Sicherheit ist halt „Kopfsache“ (Lutz) bzw. „Bauchsache“ (Sylvia).
Andere Spielregeln
Viele kennen den Unterschied gegenüber zu Hause, insbesondere bei Auslandsreisen in fernere Gefilde: man ist umgehend als Tourist zu erkennen. Insbesondere in Ländern mit deutlich niedrigerem Lebensstandard sticht man als „Goldesel“ bzw. Zielscheibe hervor: Touristen haben schließlich das Geld um zu Reisen – oft tragen sie Wertsachen oder Geld bei sich. Wenn man dies einmal akzeptiert, fällt es relativ leicht, sich nach anderen Spielregeln als z.B. in Deutschland zu verhalten.
Unsere wichtigste Regel: „Mach es so wie die Einheimischen!“. Hier einige Beispiele:
- In jedem Ort fragen wir Hostel-Angestellte, Taxifahrer oder Streifenpolizisten welche Gegenden einer Stadt als nicht sicher gelten
- In Rio de Janeiro läuft kaum ein Einheimischer mit den bei Touristen beliebten Tagesrucksäcken herum. Ein Markenrucksack verheißt eine teure Kamerausrüstung, Smartphone oder sonstige Wertsachen. Unsere Kamera wandert ab sofort in eine simple Baumwoll-Tasche. (Danke an Sonia!)
- Die Argentinier legen in Überlandbussen niemals Handtasche oder Tagesrucksack in das Gepäcknetz. Handgepäck kommt in den Fußraum – Schlaufe um den Fuß. Machen wir genauso.
Es gibt eine Reihe von „Regeln“ die speziell nur für Touristen gelten. z.B. winken die Einheimischen in Bogotá einfach ein Taxi von der Straße heran. Der Anteil an nicht registrierten Taxis ist hoch. Touristen nehmen besser ein offizielles Funk-Taxi – da Überfälle auf Touristen in „Piraten-Taxis“ relativ häufig vorkommen. Dies gilt weniger für Einheimische (siehe „Zielscheibe“).
Die Liste der Verhaltensregeln lässt sich lange weiterführen. Reiseführer, Reiseforen, Auswärtiges Amt etc. geben entsprechende Tipps für die jeweiligen Länder – d.h. an dieser Stelle verweisen wir auf die „Profis“.
Unsere Erfahrung: wenn man einmal akzeptiert, das man als Tourist z.B. in Südamerika nicht alles machen kann was zu Hause möglich ist – und sich entsprechend verhält, ist dies das beste Mittel gegen „Verfolgungswahn“.
Es lauert jedoch eine Falle: wenn man nach mehrmonatiger Reise keine sichtbare Bedrohung wahrnimmt (siehe „Sicherheit findet im Kopf statt“), vergisst man auch schon einmal die so fest vorgenommen Verhaltensregeln. Kurz gesagt: mit der Zeit wird man unvorsichtiger. Wir sind zweimal bestohlen worden – beide Male waren wir unvorsichtiger als sonst.
Mehr „Sicherheitsvorkehrungen“ = geringeres Risiko?
Im Vergleich zu Europa ist z.B. in Perú, Kolumbien oder Argentinien deutlich mehr Sicherheitspersonal öffentlich sichtbar. Ob Polizei oder (bewaffnete) private Sicherheitsdienste – in manchen Innenstädten kommt es uns so vor, als würde an jeder zweiten Straßenecke ein bewaffneter Posten stehen. In jeder(!) Bankfiliale sind bewaffnete Wachen aufgestellt, Geldtransporter ähneln Militär-Panzern. Gitterzäune, Kameras & Stacheldraht vor Wohnhäusern gehört in vielen Städten zum allgemeinen Straßenbild.
Gelegentlich stellen wir uns Fragen wie: „In dieser Stadt laufen im Zentrum besonders viele bewaffnete Wachleute herum. Dies hat doch sicherlich einen Grund…“. Auf der einen Seite gibt dies ein gewisses Gefühl von Schutz – doch Sicherheitsdienste können nicht zu jeder Zeit überall sein? Es ist nicht einfach mit der Sicherheit…
Schlußwort
Südamerika hat unwahrscheinlich viele Naturschönheiten und Kulturdenkmäler zu bieten, die Menschen sind fast überall freundlich bis herzlich, sehr höflich und hilfsbereit. Der Abschied fiel uns schwer. Wenn man Armut gegenüber mit Respekt begegnet und sich entsprechend verhält, wird man dort eine tolle Zeit verbringen.
Als insgesamt größte Bedrohung haben wir übrigens den Verkehr, insbesondere in Überlandbussen, erlebt. Das Risiko in einem (nach europäischen Standard) nicht verkehrssicheren Gefährt samt Kamikaze-Fahrer in einen Unfall verwickelt zu werden, ist (mit Sicherheit) hoch. Die Überquerung von Straßen in Argentinien oder Brasilien ist trotz Ampeln oft riskant.
Übrigens: die Frage „War’s denn nicht gefährlich in Südamerika?“ wird uns besonders häufig von deutschsprachigen Reisenden gestellt. Backpacker anderer Nationen fragen eher „Was hat Euch denn am besten dort gefallen?“.