Mit dem Zug quer durch Afrika

22.-25.11.2013 Kpiri Mposhi, Zambia → Dar es Salam, Tanzania
Wir fahren mit dem „Tazara Liberty Train“ quer durch den halben Kontinent – 1.860km von Zambia bis Dar es Salam. Die Zuglinie wurde in den 70er-Jahren durch China im Rahmen von Entwicklungshilfe erbaut und dient vorrangig dem Güterverkehr. Zweimal pro Woche fährt ein Personenzug im „Mofa-Tempo“ über die holprige Strecke – auf der Versorgungsader werden Personen, Hühner oder Bananenstauden an jede noch so kleine Ortschaft transportiert. Diese Zugfahrt ist die erste unseres Reisejahres(!) – und nicht nur dadurch etwas besonderes…

Wir buchen ein 4-Personen Schlafwagenabteil in der 1. Klasse exklusiv für uns. Das Reisebudget wird mit ca. 105€ nicht überstrapaziert, schließlich sind 2 Übernachtungen inklusive. Wir erfahren einen Tag vorher, dass die Strecke unterbrochen wurde: eine Brücke auf tansanianischer Seite wurde von einem LKW gerammt. Man erklärt uns am Telefon: „Kommen Sie einfach vorbei, wir finden schon eine Lösung“ – eine Verspätung ungewisser Dauer ist also bereits abzusehen. Wir sind jedoch entspannt, nach längerer Afrika-Reiseerfahrung haben wir reichlich Zeitpuffer in Dar es Salam eingeplant.

Angekommen im winzigen Provinzort Kpiri Mposhi staunen wir über das riesige Bahnhofsgebäude: die Größe sowie der sozialistische Baustil würde gut nach Pjöngjang passen. (Siehe: chinesische Entwicklungshilfe). Seit dem Bau der Strecke hat Zambia einen Zugang zum Hafen von Dar es Salam – und China Zugang zu den Minen Zambias. Lutz merkt schnell, das die Bahnanlagen strategische Bedeutung für Zambia haben: um ein Foto vom Zug machen zu können, muss er eine Genehmigung vom Bahnhofschef einholen – und wird von Soldaten begleitet.

Trans-Afrika-Express?
Pünktlich fahren wir los, die Fahrt geht zunächst 20 Stunden lang durchs nördliche Zambia. Die Landschaft wird zunehmend hügelig – und grüner. Auf so manchen Teilstrecken hüpfen die Waggons so stark, das die Passagiere sich nur an Haltestellen im Zug bewegen. Sylvia verliert auf der Pritsche so manches mal den Kontakt zur Liegefläche. Nicht jeder Wagen verfügt über eigene Bremsen: wenn die Lok bremst, durchzuckt ein dominoartiger Ruck den Zug. Wir halten die Gegenstände, die nicht umfallen dürfen, stets im Auge. Lässig ergeben wir uns unserem Schicksal und gönnen uns ein tansanianisches „Safari“-Bier (fest in der Hand umschlossen) an der Bar. So schmeckt also Abenteuer…

Gegen Mittag des Folgetages erreichen wir die Grenze zu Tanzania. Die Grenzformalitäten werden unspektakulär vom Fenster eines Waggons aus erledigt. Die Grenzstadt Tunduma wirkt staubig und trostlos. Aufgrund des Brückenschadens steigen wir in Minibusse, die uns zum nächstgelegenen Bahnhof Mbeya in Tanzania bringen.

Volksfeststimmung
Die Fahrt geht nach einigen Stunden Wartezeit gegen 21h weiter. Der Zug hält an beinahe jedem Dorf an – praktisch überall ist bei der Einfahrt Volksfeststimmung angesagt. Die Menschen strömen bzw. stürmen mit den Produkten der Region aus ihren Häusern zu den Gleisen. Superreife Mangos für 0,1€, Süße Ananas für 1€, Bananen werden Staudenweise verkauft – die Nahrung wird vom Bahnsteig direkt ins Abteil geliefert. Dieses Spektakel ist jedes Mal aufs neue sehenswert!

Unweit von Dar es Salam wird es noch einmal „spannend“: der Zug bleibt für einige Stunden mitten auf der Strecke stehen. Erst nach längerer Zeit erfahren wir was los ist: „Die Polizei hat mehrere Personen beim Entfernen von Schrauben an den Gleisen erwischt“. Bei der Jagd nach Altmetall für Brot hat anscheinend niemand an die möglichen Folgen gedacht. Nach 67h Zugfahrt (inkl. Minibus-Unterbrechung und insgesamt 19h Verspätung) sind wir froh „wieder festen Boden unter den Füßen zu haben“.

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Eine Antwort zu Mit dem Zug quer durch Afrika

  1. Klaus sagt:

    HeyIhr Zwei,
    das hört sich echt spannend an und kann mal wohl nur mit der erforderlichen Gelassenheit ertragen, die wahrscheinlich einjährige Weltenbummler-Erfahrung voraussetzt – undenkbar, dass wir das als leicht stressbare Mitteleuropäer locker nehmen würden. Hoffe Eure Rückkehr verläuft nach hiesigen Standards!
    Liebe Grüße
    Klaus

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