Pablo Escobar: der Drogenkönig fuhr Wartburg

28.06.2013, Medellín, Kolumbien
Für amerikanische Rucksacktouristen gehört eine „Mauertour“ in Berlin zum Pflichtprogramm – ganz ähnlich wollen wir vor Ort in Medellín mehr über das dunkle Kapitel der Drogenkartelle erfahren. Berüchtigste Figur und jahrzentelanger König des Medellíner Kartells war Pablo Escobar, der das Land am Ende seiner „Laufbahn“ in bürgerkriegsähnliche Zustände geführt hat.

Durch einen Reisebericht in der New York Times erfahren wir, das in Medellín (ungefährliche) Touren angeboten werden – in denen die Schaltstellen des Drogenkönigs Escobar und weitere neuralgische Punkte besucht werden. Diese Touren sind in Kolumbien nicht unumstritten – das Land möchte das alte Image möglichst ablegen. Der Kampf gegen die Macht der Kartelle & grassierende Gewalt wurde schließlich bereits in den 90er-Jahren erfolgreich geführt.

Heute mal „politisch inkorrekt“
Wir entscheiden uns dennoch für die „nicht-PC“ Variante: für eine Tour die ein Treffen mit dem (älteren) Bruder Roberto Escobar beinhaltet. Zu Beginn besuchen wir treffenderweise das Grab des Druglords. Auf dem Weg dorthin erfahren wir einiges über die Verwurzelung Escobars in den ärmsten Bevölkerungsschichten – Escobar hat insgesamt 2 Stadtviertel mit mehreren hundert Wohnungen und Fußballplätzen gestiftet. Hier lag die Ausgangsbasis seiner Unterstützung. Wir erfahren über die Verstrickungen der Kartelle, die sich bis in Polizei, Militär und Politik zogen. Escobar konnte jahrzehntelang an der Spitze seiner Parallelmacht recht unbekümmert herrschen – bis er den Bogen überspannte und erst spät mit geballter Anstrengung (und Unterstützung der USA) zu Fall gebracht wurde. Unterm Strich gehen viele tausend Tote auf das Konto der Schreckensherrschaft von Pablo Escobar.

Wir bekommen viele weitere (sicherlich teilweise „gefärbte“) Hintergrundinfos – diese würden jedoch den (Blog)Rahmen sprengen. Die Biographen können das ohnehin besser erzählen…

Zentrum der Schattenmacht
Nachdem wir die mehrstöckige, schwer gesicherte ehemalige Schaltzentrale des Medellín Kartells besichtigt haben (mitten auf einer der Hauptstraßen Medellíns – im schicken Viertel Poblado!), fahren wir in das von Escobar zuletzt bewohnte Haus. Eine eher bescheidene Residenz – man war bereits auf der Flucht. Hier lebt heute der ältere Bruder Roberto Escobar – dieser hat als Buchhalter des Kartells gearbeitet – dafür eine 11-jährige Haftstrafe abgesessen. Nachdem wir die Hand eines ehemaligen Schwerverbrechers geschüttelt haben, erfahren wir einiges über die Geldwäschemethoden des Kartells: der Besitz von kartelleigenen Fussballvereinen spielte eine große Rolle. Wir bekommen hier auch eine alternative Erklärung für die Ermordung des kolumbianischen Nationalspielers Andrés Escobar (nicht mit Pablo verwandt) – der 1994 nach einem WM-Eigentor in Medellín kurze Zeit später erschossen wurde. Wir erfahren, das das Cali-Kartell viel Geld auf das Spiel gesetzt haben soll (Geldwäsche…) und Andrés Escobar wohl als Sündenbock für das „verbrannte Geld“ ermordet wurde. Lutz erinnert sich noch gut an das damalige Geschehen – dachte damals aber eher an „Fanatismus“. Es stimmt also: Reisen bildet…

Eisenach → Medellín
Wie es sich für das Haus einer der mächtigsten Drogenbosse gehört, sehen wir Geld- und Personen-verstecke sowie geheime Fluchtwege. Sylvia hatte das erste Mal die Gelegenheit „original“ Einschusslöcher aus nächster Nähe zu betrachten. Zu unserer großen Überraschung stellen wir fest, das Pablo Escobars erster Wagen ein IFA Wartburg Baujahr 1959 war. Mit diesem Fahrzeug wurde der Grundstein des Drogenimperiums durch Transporte von Ecuador nach Kolumbien gelegt. Wie das Fahrzeug aus DDR-Produktion damals nach Kolumbien gelangt ist, konnte uns jedoch Roberto Escobar nicht erklären. Die Geschäftsbeziehung zwischen Pablo Escobar und Fidel Castro begann schließlich erst deutlich später… Wenn einer der Blog-Leser entsprechende Hintergrundinformationen hat: wir freuen uns über einen Kommentar!

Die Erlöse der Tour gehen übrigens vollständig an eine AIDS-Stiftung in Medellín.

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